Alles rund um Pflege

Archiv für September, 2013

Gutachten im Sozialrecht – Welche Rechte haben Sie?

Vor der Bewilligung einer sozialrechtlichen Leistung, sei es etwa die Anerkennung einer Schwerbehinderung, einer Erwerbsminderungsrente oder von Pflegegeld, steht die Feststellung des gesundheitlichen Zustand des Antragstellers durch einen ärztlichen Sachverständigen/Gutachter. So manches Gutachten ist aber medizinisch fragwürdig. Was kann der Antragsteller gegen solche Gutachten unternehmen?

Wird der Pflegegeldantrag abgelehnt und der Widerspruch hatte auch keine Chance, dann bleibt nur der Weg zum Sozialgericht. Im Sozialgerichtsverfahren wird der gesamte Sachverhalt neu ermittelt werden müssen (§ 106 SGG).  Nach der Einholung von ärztlichen Befundberichten entscheidet der Richter, ob weitere Ermittlungen des Sachverhaltes nötig sind. Wenn er dieses bejahrt, dann wird er einen ärztlichen Gutachter beauftragen, der zur Frage der Pflegbedürftigkeit und der Pflegestufe Stellung nehmen soll.

So manches Gutachten lässt aber zu wünschen übrig. Es gibt viele Mediziner, die leben von der Gutachtenerstellung und neigen manchmal dazu, doch das zu schreiben, was Ihrer Ansicht nach der Auftraggeber lesen will, damit sie weiterhin Aufträge bekommen. Dieses geht aber zu Lasten der kranken und hilfebedürftigen Menschen.

Häufig sind die Gutachten auch formell von schlechter Qualität. Der Betroffene muss ein solches Gutachten nicht hinnehmen. Zum einen kann er ein solches Gutachten rechtlich und medizinisch angreifen. Hierfür sollte der Antragsteller sich aber durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen, denn sowohl die rechtlichen als auch medizinischen Fragestellungen sind für den „normalen Antragsteller“ oft schwierig und nicht nachvollziehbar.

Gutachten im Sozialrecht – Was tun, wenn Sie es nicht für richtig halten?

Sie können einen eigenen Gutachter benennen

Wenn die rechtlichen und medizinischen Einwendungen den Richter nicht dazu veranlassen, ein neues Gutachten in Auftrag zu geben, dann hat der Antragsteller das Recht, nach § 109 SGG einen eigenen Gutachter zu benennen. Das gleiche gilt auch, wenn das Gericht kein Gutachten in Auftrag geben möchte. Hierzu muss allerdings ein Kostenvorschuss von ca. 1500 Euro gezahlt werden.

Ist das Geld bei Gericht eingegangen und vom Antragsteller der Gutachter benannt, beauftragt das Gericht den benannten Gutachter mit der Erstellung des Gutachtens. Dass der Antragsteller den Gutachter erst mal bezahlt, heißt natürlich nicht, dass der Gutachter sein Gutachten im Sinne des Antragstellers schreibt.

Es bleibt auch hier ein Prozessrisiko. Auf der Basis der nun vorliegenden Gutachten fällt das Gericht dann sein Urteil. Der Antragsteller kann dann bei Gericht beantragen, dass die Kosten für das Gutachten von der Staatkasse übernommen wird. Dieses ist vom Gericht zu bewilligen, wenn das Gutachten zur weiteren Sachaufklärung gedient und die Entscheidung des Gerichts beeinflusst hat.

Die  Möglichkeit einen eigenen Gutachter nach § 109 SGG benennen zu können, kann erheblich zum Erfolg der Klage beitragen. Nicht in jedem Fall hat der Betroffene aber das Geld für ein solches Gutachten.

Von entscheidender Erleichterung ist in so einem Fall eine Rechtsschutzversicherung. Die Rechtsschutzversicherung übernimmt die Kosten für die Begutachtung nach § 109 SGG. Es sollte daher im Vorfeld überlegt werden, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen. Bedenken Sie dabei, dass es Wartezeiten bis zu einem halben Jahr gibt, in der die Rechtsschutzversicherung nicht  für einen Schadensfall eintritt.

Es gibt viele Tarife; die eine Selbstbeteilung von 150 bis 200 Euro vorsehen. Es gibt aber auch Tarife ohne Selbstbesteiligung. Lassen Sie sich durch einen unabhängigen Versicherungsberater informieren, was für Sie  die beste Lösung ist.

Quelle: http://www.curendo.de/betreuungsrecht/urteile/gutachten-im-sozialrecht-welche-rechte-haben-sie.html

Private Pflegeversicherung muss elektrisches Pflegebett zahlen

Pflegebedürftige, die die meiste Zeit im Bett verbringen müssen, erleben ein elektrisches Pflegebett als große Erleichterung und die Pflegenden werden von Schwerarbeit ein wenig entlastet. Wann muss die Private Pflegeversicherung die Anschaffung eines solchen Pflegebettes übernehmen? Das Urteil des Bayrischen Landessozialgerichts zeigt, wann die Private Pflegeversicherung leistungspflichtig ist.

Das Bayrische Landessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 7.11.2012 – L 2 P 66/11 genau dargelegt, wann eine private Pflegeversicherung ein elektrisches Pflegebett zu bezahlen hat. Das Gericht hat dazu sieben Kriterien herausgearbeitet, unter denen eine Sonderversorgung erforderlich ist. Insbesondere konnte sich der Kläger mit dem Spezialbett selbst umlagern und sich sogar aus dem Bett bewegen, um mit Hilfe seines Rollstuhls selbstständig die Toilette aufsuchen.

Die Prophylaxe gegen Wundliegen und gerade gegen Thrombose war nur mit dem besonderen Pflegebett möglich. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der  Kläger ist bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen privat kranken- und pflegeversichert. Er leidet unter anderem an einer Muskeldystrophie, einer respiratorischen Insuffizienz und Myxödemen an Füßen und Unterschenkeln.

Die erblich bedingte Muskeldystrophie ist 1993 zum Ausbruch gekommen und hat zu einer erheblichen Schwächung aller Muskeln geführt. Da auch die Atemmuskulatur betroffen ist, muss der Kläger nachts über eine Maske beatmet werden. Der Kläger kann weder selbstständig stehen noch gehen und ist in Pflegestufe II eingruppiert. Es liegt ein Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen G, aG, B und H vor.

Zusätzlich leidet der Kläger an einem Morbus Basedow, der am 20.01.2007 diagnostiziert wurde. Dieser hat anfänglich zu einer Über-, später zu einer Unterfunktion der Schilddrüse geführt. Als Folge der Schilddrüsenerkrankung kam es zur Ausbildung von Myxödemen im April 2008.

Weiter hat das Landessozialgericht Abgrenzungsmerkmale erstellt, nach denen sich entscheidet, wann die private Pflegeversicherung und nicht die Krankenversicherung leistungspflichtig ist.

Nach diesen Kriterien war das Bett schwerpunktmäßig Zwecken der Pflege zuzuordnen. Darüber hinaus musste das Gericht bewerten, welchen Zweck es dienen sollte. Das Gericht entschied das das streitgegenständliche Pflegebett Völker 3082 K  für die Versorgung des Klägers aus folgenden Gründen geeignet und erforderlich ist. Folgende Gründe wurden dabei vom Gericht erfasst:

 

  1. Gegensatz zum Standard-Pflegebett ist das seitliche Gitter beim Völker-Pflegebett geteilt und kann vom Kläger selbst bedient werden. Beim Standard-Pflegebett besteht dagegen ein ungeteiltes, über die gesamte Bettlänge durchgehendes Bettgitter, das nur unter erheblichen mechanischem Kraftaufwand von der Pflegekraft, nicht aber vom Kläger selbst entfernt werden kann.Ist es entfernt, besteht für den Kläger beim Standard-Bett keine Möglichkeit, sich beim Aufrichten oder Umdrehen festzuhalten. Am Bettgalgen kann er sich nicht festhalten, weil ihm hierfür die notwendige Kraft fehlt. Infolgedessen kann sich der Kläger im Standard-Pflegebett weder selbstständig aufrichten noch in Seitenlage bringen oder umlagern.

     Dem Kläger gelingt im Völker-Pflegebett sogar der selbstständige Transfer vom Bett zum Rollstuhl und umgekehrt, und er kann so nachts ohne Hilfe der Ehefrau selbstständig die Toilette aufsuchen.

  1. Beim Standard-Pflegebett befand sich aufgrund der Körpergröße des Klägers und der Überlänge des Bettes der Knick der Liegefläche nicht wie gewünscht im Kniebereich, sondern in der Mitte des Oberschenkels des Klägers. Beim Völker-Pflegebett kann die Knieknickstellung genau eingestellt werden.
  2. Während Pflegemaßnahmen im Sitzen vorgenommen werden, kann sich der Kläger am hälftigen Seitenteil im Völker-Pflegebett festhalten. Dies entlastet die Pflegekraft, die sich beim Standard-Pflegebett entweder über das Gitter beugen oder den Kläger gleichzeitig festhalten muss.
  3. Die zwei Selbstbedienungselemente des Völker-Pflegebetts erlauben es dem Kläger in jeder Körperlage selbsttätig, die Selbstbedienung zu benutzen und das Bett in geeignete Positionen zu bringen.Dagegen kann der Kläger das Bedienteil des Standard-Pflegebetts nicht in jeder Körperlage bedienen, zudem besteht die Gefahr des Herunterfallens und der Verhedderns mit seinem Beatmungsschlauch.
  4. Im Gegensatz zum Völker-Pflegebett erreicht das Standard-Pflegebett seine volle Standfestigkeit nur, wenn alle vier Rollen festgestellt werden. Das ist für die Pflegekräfte sehr mühsam, da das Bett in der Ecke steht.Für pflegerische Maßnahmen, bei denen zwei Personen benötigt werden, sowie für Krankengymnastik muss es aber regelmäßig in die Raummitte geschoben werden. Die absolute Standfestigkeit ist notwendig, damit der Kläger mit minimaler Muskelkraft Bewegungen ausführen kann, ohne dass es zu leichtem Schaukeln des Bettes kommt.
  1. Das Völker-Pflegebett verfügt im Gegensatz zum Standard-Pflegebett über keinen herkömmlichen Lattenrost, sondern über ein sog. Mikro-Stimulationssystem zur Unterstützung der Dekubitus-Prophylaxe. Dadurch werden Druckschmerzen am Hüftknochen vermieden.
  2. Das Völker-Pflegebett bietet anders als das Standard-Pflegebett stufenlose Möglichkeiten zur Hochlagerung der Beine, was zur Drainage der Unterschenkelödeme des Klägers erforderlich ist

Nach Auffassung des Gerichts zeigen die Vorteile dieses Bettes eindeutig, dass der Zweck dieses Pflegebettes in der Erleichterung der Pflege liegt und daher von der privaten Pflegeversicherung zu tragen ist. Für pflegende Angehörige ist dieses ein wichtiges Urteil, denn es schafft Grundlagen, nach welchen Sie prüfen können, ob ihre private Pflegeversicherung die Kosten für ein elektrisches Pflegebett übernehmen muss.

 

Quelle: http://www.curendo.de/betreuungsrecht/urteile/private-pflegeversicherung-muss-elektrisches-pflegebett-zahlen.html?pm_cat[]=curendo&pm_cat[]=Betreuungsrecht&pm_cat[]=Urteile&SYS=227&SCID=1184046&NL=14&ML=VNR11235_NL_PFL__20130923&utm_source=14&utm_medium=email&utm_campaign=VNR11235_NL_PFL__20130923

Die Wahl ist gelaufen…

Die Wahl ist gelaufen.
Die soziale Ungerechtigkeit gegenüber den pflegebedürftigen Menschen geht weiter.
Wer Hilfe im Pflegestufenverfahren benötigt kann sich gerne an uns wenden.
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Immer wieder zahlen Kinder zu unrecht Elternunterhalt

07.09.13

Elternunterhalt

So können Sie Zahlungen für die Pflege abwehren

Die Zahl der Pflegebedürftigen hierzulande steigt stetig. Und überall fehlt das Geld. Da kommt das Amt gern auf die Kinder zurück. Die zahlen öfter, als sie müssten – weil sie sich nicht auskennen. Von Midia Nuri

Verkehrte Welt: Bei der Großbaustelle Pflege geraten zunehmend die Kinder ins Visier. Sie sollen die wachsenden finanziellen Lücken bei der Betreuung stopfen

Foto: ullstein bildVerkehrte Welt: Bei der Großbaustelle Pflege geraten zunehmend die Kinder ins Visier. Sie sollen die wachsenden finanziellen Lücken bei der Betreuung stopfen

Wer hat schon Ahnung von sozialrechtlichen Ansprüchen? Erik L. jedenfalls nicht. Grundsicherung im Alter, Anspruch auf Zuschüsse zu Medikamenten, Freibeträge, Schonvermögen – von all dem hatte der Unternehmer aus Köln zuvor nie gehört. Und so penibel, wie er für das Finanzamt betriebliche und private Konten getrennt gehalten hatte, so genau listete er auch dem Sozialamt seine Einkünfte auf, nachdem er die dafür nötigen Formulare zugeschickt bekommen hatte.

Das Amt wollte prüfen, ob L. oder sein Bruder den beantragten Unterhalt für die heute 64-jährige Mutter ganz oder teilweise selbst übernehmen müssten. Die psychisch erkrankte Frau war nach der Trennung vom Vater zu L.s Bruder gezogen. Der wohnte gleich nebenan, so dass die beiden Söhne sich gemeinsam um sie kümmern konnten.

„Die wollten meine Gewinne der vergangenen drei Jahre wissen, und ich musste ihnen Auskunft über alle Rücklagen und Vermögenswerte geben“, berichtet L. Da sein Unternehmen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) firmiert, machte das Finanzamt zu seiner Überraschung keinen Unterschied zwischen dem betrieblichen Tagesgeldkonto und dem privaten Giro- und Sparkonto.

„Ich habe betriebliche Rücklagen, um Schwankungen auszugleichen, und privat habe ich auch etwas für schlechte Zeiten zurückgelegt“, erklärt L. „Das alles haben die Beamten offenbar munter zu meinen laufenden Einkünften addiert und daraus mal eben einen monatlichen Durchschnitt errechnet“, erinnert er sich. „Wahrscheinlich noch ein paar Freibeträge abgezogen und heraus kam, dass ich die kompletten 600 Euro Unterhalt monatlich an meine Mutter zu zahlen hätte – rückwirkend für ein Dreivierteljahr.“ Auf Kosten der eigenen Reserven.


Entwicklung der Anzahl der Pflegebedürftigen

Foto: Infografik Die WeltEntwicklung der Anzahl der Pflegebedürftigen

VERMÖGEN SCHONEN
  • Immobilie
  • Schonvermögen
  • Schenkung
  • Wohnrecht

Die Anwältin fand jede Menge Entlastendes

 

„So gern ich meiner Mutter helfe und auch schon geholfen habe“, hält Erik L. fest – „aber ich wäre so selbst Gefahr gelaufen, nicht mehr für mich sorgen zu können.“ Also ging er zur Familienrechtsanwältin Dorothée Linden von der Kölner Kanzlei Linden & Mosel. Die machte eine Bestandsaufnahme seiner unterhaltsrechtlich relevanten Finanzen – und fand jede Menge Entlastendes. So viel, dass das Amt ihn schließlich doch nicht zur Zahlung verpflichten konnte. L. durfte seine Rücklagen behalten.

Der Fall des Erik L. zeigt: Beim so genanntenElternunterhalt geht es ans Eingemachte. Seit Jahren steigt die Zahl der Pflegebedürftigen, von zwei Millionen 1999 auf jetzt gut 2,5 Millionen. 2040 sollen es bereits 3,75 Millionen sein. Die Pflegeversicherung ist da nur ein Tropfen auf den heißen Stein – Zoff zwischen Ämtern und Kindern Pflegebedürftiger ist dauerhaft programmiert.

Zeit für potenziell Betroffene, sich zu informieren, um für den Kampf mit den Behörden gewappnet zu sein. „Die wenigsten Kinder pflegebedürftiger Eltern wissen, was ihnen für sich selbst zusteht, wenn ihre Eltern nicht mehr selbst für ihren Unterhalt oder die Pflegekosten aufkommen können“, stellt Linden fest. Es ist auch kompliziert. Was ihnen zusteht, lässt sich nicht einfach aus irgendwelchen Tabellen herauslesen. Die sagen nämlich – und das ist auch schon die gute Nachricht – nur die halbe Wahrheit.

Grundsätzlich ist es einfach: Das Amt ermittelt, wie viel Unterhalt an eigene Kinder das unterhaltspflichtige Kind laut der nach Einkommen gestaffelten Düsseldorfer Tabelle zahlen muss. „Vom Rest lässt das Amt dem unterhaltspflichtigen Kind 1600 Euro Selbstbehalt“, erklärt Linden. „Und von allem, was darüber hinaus geht, kann das Amt die Hälfte für den Elternunterhalt anfordern.“ Dass die Eltern selbst Unterhalt von den Kindern einfordern, kommt Lindens Erfahrung nach fast ausschließlich bei Eltern mit gerichtlich bestelltem Betreuer vor.

Lebensstandard muss den Kindern erhalten bleiben

 

Komplizierter, aber dafür wenigstens erfreulich wird es bei der Frage, welche Kosten zusätzlich das Einkommen der Kinder mindern – und es so dem Zugriff des Amts entziehen. Während für die eigenen Kinder vereinfacht gesagt der höchstrichterliche Grundsatz des Bundesgerichtshofs gilt, dass Eltern im Extremfall das letzte Hemd mit ihnen teilen müssen (Az.: XII ZR 72/06), bevor das Sozialamt für den Unterhalt einspringt, hat der Bundesgerichtshof dieser Einschätzung beim Unterhalt für die eigenen Eltern zuletzt einige Riegel vorgeschoben.

Die obersten Richter entschieden: „Der bisher gewohnte Lebensstandard und die eigene Altersvorsorge müssen den unterhaltspflichtigen Kindern erhalten bleiben“, sagt Linden.

Zuletzt fällten die obersten Richter am 7. August ein Urteil, das unterhaltspflichtigen Kindern mit eigener Immobilie die oftmals größte Angst nehmen dürfte: Mit dem Urteil müssen die Sozialämter bei der Berechnung der Unterhaltspflicht die selbst genutzte Immobilie außen vor lassen (Az.: XII ZB 269/12).

BGH zur Heranziehung von Immobilien

 

Die BGH-Richter stuften „angemessene selbst genutzte Immobilien“ als Teil der eigenen Altersvorsorge zahlungspflichtiger Kinder ein. „Es braucht sich niemand zu sorgen, dass er aus seinem Haus raus muss oder nicht mehr in Urlaub fahren kann“, beruhigt Carsten Müller, Sozialdezernent des Kreises Offenbach.

Allerdings dürfen die Ämter für das Wohnen im eigenen Haus einen geldwerten Vorteil ansetzen, der wie zusätzliches Einkommen zählt. Dem können die Kinder im Gegenzug Kreditverpflichtungen, Grundsteuer und Gebäudeversicherung entgegensetzen.

Wer kein Wohneigentum besitzt, sondern zur Miete wohnt, bei dem müssen die Sozialämter die vollen Kosten für die Warmmiete einkommensmindernd durchgehen lassen – auch wenn die über den etwa bei der Bewilligung von Sozialleistungen sonst üblichen Sätzen liegen. Wer allerdings beispielsweise ein Ferienhaus besitzt, den kann das Amt durchaus zwingen, es zu vermieten.

Für die sonstige Altersvorsorge dürfen unterhaltspflichtige Kinder 20 Prozent vom Bruttoeinkommen behalten sowie weitere fünf Prozent für zusätzliche Altersvorsorgeausgaben. „Diese Kosten müssen die Kinder natürlich nachweisen“, schränkt Linden ein.

Kosten müssen dem Amt nachgewiesen werden

 

Und auch sonst brauchen unterhaltspflichtige Kinder wenige Einschränkungen hinzunehmen. „Alles, was sich im eigenen Leben als gewohnheitsmäßiger Lebensstandard herauskristallisiert hat, können unterhaltspflichtige Kinder einkommensmindernd ansetzen“, erklärt Linden.

Regelmäßigen Urlaub also ebenso wie teure Hobbies oder auch kostspieligen Musikunterricht für die Kinder. Diese Kosten dem Amt nachzuweisen, sei aber oft ein Problem, warnt Linden. Daher rät sie, sich schon frühzeitig mit dem Thema Pflege zu befassen und die Kosten der eigenen Lebensführung gegebenenfalls frühzeitig zu dokumentieren.

Gerade Pläne seien sonst unter Umständen schwer gegenüber dem Amt zu verteidigen, weiß sie. Ob das nun Rücklagen für eine spätere Dachreparatur am Eigenheim seien oder das Ersparte für einen selbstfinanzierten vorgezogenen Ruhestand. „Wir hatten mal einen Unternehmer, der mit 55 in den Ruhestand gehen wollte und mit 52 in die Beratung kam, weil sich abzeichnete, dass das Vermögen der Eltern für deren Pflege nicht reichen würde.

Nachfragen lohnt auf jeden Fall

 

„Der Mann hatte sich seine Deckungslücke ausrechnen lassen, die durch den vorgezogenen Ruhestand entsteht und dann dafür Bar-Rücklagen gebildet. Es ging ihm nun darum, diese bereits seit Jahren bestehende Absicht dem Amt später nachzuweisen. Mit anwaltlicher Hilfe gelang ihm das.

Der Gang zum Anwalt kostet zwar Geld, kann sich aber lohnen. Schon weil Anwälte im Gegensatz zu den ebenfalls zur Auskunft verpflichteten Sachbearbeitern immer die aktuelle Rechtslage kennen müssen. Und da die meist verbraucherfreundlich ist, kann sich eine Beratung zumindest dann lohnen, wenn genug Einkommen da ist, dass die Forderung des Amtes hoch ausfällt.

Nachfragen beim Amt sollten Kinder trotzdem stellen – schon weil das die Ansprüche der Eltern in alle Richtungen prüft,. „Neulich hatten wir eine Frau, die keine Witwenrente geltend gemacht hatte“, berichtet Müller. Die hat sie dann unerwartet dazu bekommen – und so die Unterhaltspflicht der Tochter gesenkt. Beim Amt nachzufragen lohnt sich also auch auf jeden Fall.

 

http://www.welt.de/finanzen/verbraucher/article119798516/So-koennen-Sie-Zahlungen-fuer-die-Pflege-abwehren.html

Report München berichtet am 18.06.2013

Ein Insider packt aus
Wie der Medizinische Dienst der Krankenversicherung wirklich arbeitet

Ulrich Hagmann, Sebastian Kemnitzer

Seit ihrer Geburt leidet die kleine Lina an Gelenksteife. Die 6-Jährige wurde schon häufig operiert. Im Sommer kommt Lina in die Schule. Damit sie nicht auch noch ein Rückenleiden bekommt, braucht sie daheim und in der Schule einen speziellen Therapiestuhl, sagen ihre Ärzte.
Doch der Medizinische Dienst lehnt das ab, ein Kinderbürostuhl würde ausreichen.
Kathrin Bruckner: „Von einer Bekannten eben, gleiches Krankheitsbild, klar anderes Kind, aber von der Grunderkrankung das Gleiche, hat zwei Stühle, also quasi einen für die Schule und einen für zuhause für die Hausaufgaben genehmigt gekriegt in Nordrhein-Westfalen. Dann frage ich mich, was ist der Unterschied, wenn wir hier wohnen, habe ich leider den Anspruch scheinbar nicht, oder mein Kind.“
Widersprüchliche Entscheidungen, eine typische Klage über den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Solche Beschwerden erreichen unsere Redaktion sehr häufig. Elektrisiert aber hat uns die Zuschrift von Dr. Bernd Krüger. Der Nervenarzt war 13 Jahre lang als Gutachter in mehreren Städten für den MDK Bayern tätig. Jahrelang hat er die Missstände intern angeprangert, jetzt geht er an die Öffentlichkeit.
Dr. Bernd Krüger, Psychiater: „Ein Missstand war. dass praktisch ein medizinischer Gutachter beim MDK im großen Maße willkürliche Gutachten erstellt hat und dieses habe ich über ein Jahr dem Vorgesetzten immer wieder dargelegt und dieser Vorgesetzte sagte mir wiederholt, die Kassen und die Geschäftsführung wollen diese Begutachtungsweise.“
Als Nervenarzt musste Dr. Krüger Krankmeldungen von Menschen mit „Burn Out“ „Depression“ und „Selbstmordgedanken“ überprüfen. Dem Psychiater fiel auf, dass viele Gutachten von fachfremden Kollegen am Schreibtisch erstellt wurden. Sein Vorwurf: Psychisch Schwerkranke wurden vorschnell als arbeitsfähig eingestuft.
Dr. Bernd Krüger, Psychiater: „Die Geschäftsführung ist auch nicht bereit gewesen, auch dieses anzuerkennen und zu sagen, Sie haben Recht in Ihrer Sichtweise, sondern ich wurde im Grunde genommen gemobbt und als psychisch krank dargestellt.“
Der MDK Bayern sagt, eine Sonderprüfung der Innenrevision habe stattgefunden. Die kritisierten Fälle seien in medizinisch vertretbarer Weise bearbeitet worden und lägen mehrere Jahre zurück. Von eklatanten Missständen könne keine Rede sein.
Doch report MÜNCHEN liegen Beschwerden von Ärzten, Anwälten und das Schreiben eines Gerichtes vor, die Krügers Hinweise bestätigen. So bemängelt ein Anwalt, für seine Mandantin war besonders verletzend, dass das Gutachten des MDK ihr ein „ungepflegtes Erscheinungsbild“ bescheinigt habe. Eine Lüge, sagt der Anwalt.
Herabsetzende Äußerungen in Gutachten: ein bundesweites Problem. In Norddeutschland treffen wir Professor Ingo Heberlein – 12 Jahre lang Geschäftsführer des MDK in Schleswig-Holstein. Mittlerweile vertritt er einen Patientenverband und lehrt Gesundheitsrecht. Professor Ingo Heberlein, Hochschule Fulda: „Solchen Äußerungen muss nachgegangen werden und solche Äußerungen verbieten sich auch in Gutachten. Herabsetzende Äußerungen in Gutachten sind, sage ich mal, eine Todsünde.“
Vom MDK beleidigt fühlt sich auch Christiane Gruel. Wir haben letztes Jahr über die Frau aus Lübeck berichtet. Auf Anraten ihrer Ärzte hat sie vierzig Kilo abgenommen. Danach rieten ihr Mediziner, die überschüssige Haut entfernen zu lassen. Dreimal hat dies der MDK Nord abgelehnt. Es genüge, wenn sich die Frau gründlich wäscht.
Nach unserem Bericht gab es wenigstens eine persönliche Begutachtung. Doch wieder lehnt der MDK ab. Freiwillig übernimmt die Kasse jetzt einen Teil der Kosten. Frau Gruel wird operiert – seither fühlt sie sich pudelwohl in ihrem Körper. Wunden aber hat wieder das neue MDK Gutachten gerissen. Darin heißt, es sie wirke „vorgealtert“ – „gereizt“ – „den Tränen nah“

Christiane Gruel: „Ich finde das einfach grausam, dass solche Geschichten auch dann
weitergeleitet werden an die Krankenkasse. Was geht die das an, wo ich meine Unterwäsche kaufe, oder was meine Kinder machen, oder warum ich gereizt war, oder sonstiges.“
Genau auf solche Probleme hat Dr. Bernd Krüger in Bayern hingewiesen. Voreingenommene Gutachter im Sinne der Krankenkassen, abwertende Bewertungen. Auch der Augsburger Psychiater Christoph von Winterfeldt kennt dieses Problem. Außerdem kritisiert er: Dr. Christoph von Winterfeldt, Psychiater: „Dass das komplette Gutachten mit allen Daten inklusive aller Anamnesen , biografischer Anamnesen, Sexualanamnese, Vegetativum, Drogen-,
Alkoholanamnese an die Krankenkasse geht. Das ist gängige Praxis, sofern mündliche Auskunft und das, was ich auch sehe – auch jetzt zuletzt, die letzten Tage, wieder bekomme.“
Er zeigt uns einen besonders spektakulären Fall. Hier im sozialmedizinischen Gutachten steht, dass der Patient inhaftiert gewesen ist.
Professor Ingo Heberlein, Hochschule Fulda: „Der Gutachter hätte das überhaupt nicht in der Akte verewigen dürfen. Also das ist aus meiner Sicht, nach meiner Einschätzung ein eindeutiger Verstoß gegen Datenschutzrecht und auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.“
Der MDK Bayern erklärt, der Umfang der weitergeleiteten Dokumentation sei abhängig vom Einzelfall. Ist Dr. Krüger der einzige MDK-Gutachter, der Probleme sieht?
Wir fragen bei der Bayerischen Landesärztekammer.
Dr. Heidemarie Lux, Bayerische Landesärztekammer: „Wir haben natürlich interne
Informationen von Ärzten des MDKs erhalten, dass der Einfluss der Krankenkassen zugenommen hat, was ihre Entscheidungen angeht und was ihr Prüfverhalten angeht.“
Auch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung sieht Probleme.
Wolfgang Zöller, CSU, Patientenbeauftragter der Bundesregierung: „Ich halte eine
grundlegende Reform des MDK für notwendig, weil das Vertrauensverhältnis der Patienten in die Begutachtungen des MDK doch erschüttert sind.“
Dr. Bernd Krüger hat lange Jahre intern gegen Missstände im MDK gekämpft und ist daran zerbrochen. Er erlitt einen Herzinfarkt, bekam eine Depression und ist seit 2009 arbeitsunfähig.
Der MDK als neutrale Kontrollinstanz ist notwendig. Derzeit wird er von den Krankenkassen finanziert und kontrolliert. An seiner Neutralität bestehen berechtigte Zweifel.

Anmerkung von Kotesk:

Diese Zweifel sind nach vielen Erfahrungen auch auf die Qualität der Pflegegutachten zur Einstufung in die Pflegestufe übertragbar. Wer schützt die Betroffenen vor der Willkür des MDK????

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